„Die Fastnacht könnte gestärkt aus der Lage hervorgehen“

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Ulrich Fergenbauer Vorsitzender der Zuggemeinschaft Klaa Paris
Ulrich Fergenbauer Vorsitzender der Zuggemeinschaft Klaa Paris

Zugmarschall Ulrich Fergenbauer über die Lage der Vereine, die Saalfastnacht, 2 G und den Umzug im März

Ulrich Fergenbauer ist der Vorsitzende der Zuggemeinschaft Klaa Paris und damit Marschall des Heddernheimer Umzuges, einer urigen Veranstaltung, die jährlich am Fastnachtsdienstag den Nordwesten auf den Kopf stellt. Wenn nicht Corona dazwischenkommt, wie in diesem Frühjahr. Redakteur Thomas J. Schmidt hat mit Fergenbauer über dessen verhaltenen Optimismus gesprochen, was den Umzug 2022 angeht.

Am Donnerstag geht die Fastnacht los, und dann dürfen Sie Ihre Kappe endlich wieder aufsetzen, nach eineinhalb Jahren. Wie ist die Stimmung beim Zugmarschall der Zuggemeinschaft Klaa Paris? Gibt es den Umzug 2022?

Das ist eine schwierige Frage. Wir haben den Fastnachtsumzug noch nicht abgesagt. Die Corona-Zahlen, die gerade steigen, könnten alle Anstrengungen noch vereiteln. Wir müssen uns bis etwa Mitte Dezember entscheiden. Bis dahin können wir die Planung aufschieben, ohne Geld ausgeben zu müssen. Wir haben mit dem Gesundheitsamt gesprochen und dem Ordnungsamt.

Was sagen die?

Das Gesundheitsamt kann noch keine Zusage machen. Das kann keiner. Das Ordnungsamt sagt, von der Sicherheitsseite her sei alles klar. Schwierig könnte nur ein Hygienekonzept werden, was Corona betrifft.

Sind sie optimistisch?

Im Moment kann man es noch nicht sagen. Ich wäre gerne optimistisch, ich bin es auch. Aber ich bin als Veranstalter persönlich haftbar, nicht nur für die Teilnehmer, sondern auch für alle Zuschauer. Wenn es regnet, sind es nicht so viele, aber bei Sonne haben wir 150 000 Zuschauer. Wenn da ein Super-Spreader dabei ist …

Dann stehen Sie vor dem Kadi?

Unter Umständen ja. Alle anderen Veranstalter stehen vor demselben Dilemma. Für die eigenen Leute, die Zugteilnehmer, könnte man ein Hygienekonzept bauen. Aber das ganze Gebiet abzusperren und mit einer Zugangsbeschränkung belegen, das ist schlicht nicht möglich und unbezahlbar. Wie viele Straßen müssten wir absperren? So lange uns das Gesundheits- und Ordnungsamt nicht aus der Haftung entlässt und sagt: Für die Zuschauer kannst du nichts, so lange bin ich in der Haftung.

Deswegen sagen Sie ein vorsichtiges Nein zum Heddernheimer Umzug?

Ich sage ein vorsichtiges Ja. Es ist ein politisches Ja. Man muss in die Vereine hineindenken. Wenn ich jetzt den Vereinen sage, es wird wahrscheinlich nichts, dann stellen sie ihre Bemühungen ein. Und sie brauchen ihre Mitglieder. Momentan geht es ihnen noch gut, aber sie haben Nachwuchssorgen. Wenn ich jetzt sage, der Zug findet nicht statt, dann fragen sich die jungen Leute, was sie in einem Fastnachtsverein machen, wenn es zwei Jahre keine Fastnacht gibt. Die Vereine müssen etwas bieten.

Wie sieht es bei Ihnen mit den Saalveranstaltungen aus?

Die Zuggemeinschaft veranstaltet keine Saalfastnacht, außer bei der Eröffnung am 11.11. Aber das ist eine geschlossene Gesellschaft mit 2 G. Man muss sagen, eine Saalveranstaltung mit 2 G zu veranstalten ist einfacher, als eine Freiluftveranstaltung. Die angeschlossenen Vereine laufen fast alle unter 2 G. Am besten planbar sind geschlossene Gesellschaften unter freiem Himmel. Das ist am einfachsten zu realisieren. Aber 2 G bei der Saalfastnacht, das geht auch gut, das Ordnungsamt und das Gesundheitsamt spielen mit, wenn man einen Hygieneplan hat.

Wie sieht denn so ein Plan aus?

Es müssen der Eintritt und der Coronastatus kontrolliert werden, es müssen Personen pro Fläche und Personen pro Raumvolumen gerechnet werden, etc. Man braucht, wenn es Bewirtung gibt, für die Übergabe des Getränks an den Gast einen Plan. Gibt es einen, der nur kassiert? Bargeld ist ja auch unhygienisch.

Und Sie wissen auch noch nicht, welche Hygieneregeln am 1. März gelten werden, wenn die Heddernheimer ihren Umzug feiern wollen?

Das weiß noch niemand. Am 25. November, wenn die Notstandsverordnung des Bundes ausläuft, sind die Länder alleine verantwortlich. Für Hessen ist es ganz gut, weil sie Regeln von der Inzidenz und der Belegung der Intensivbetten abhängig machen können. Für Frankfurt könnte es schlecht werden, weil bei uns die Zahlen zurzeit recht hoch sind.

Wie sieht denn die Stimmung bei den Fastnachtern insgesamt aus? Es ist ja schon im Vorjahr alles ausgefallen.

Es tut den Vereinen sehr weh, aber bislang ist noch kein Verein insolvent. Viele Kosten laufen weiter, deswegen könnten im kommenden Jahr Vereine aufgeben müssen, wenn in diesem Jahr die Fastnacht auch wieder ausfallen sollte. Vielleicht hilft dann ja das Kulturamt wieder finanziell. Viel schlimmer jedoch ist die Frage der Mitglieder. Viele junge Leute könnten sich für die Freizeit etwas anderes suchen. Viele Tanzgruppen und Musikgruppen wollen ja auch auftreten, nicht nur üben. Diese jungen Leute, die Gardetänzerinnen und so weiter, könnten wegbleiben und sich einen Sportverein suchen. Für die kleinen Vereine dürfte es verheerend werden, sowohl finanziell als auch vom Nachwuchs her.

Corona ist ein Kulturschock für die Narren.

Ja, die Fastnacht ist ja Brauchtum und damit Kultur. Deswegen kann ich den Umzug auch nicht als Demonstration anmelden.

Glauben Sie, dass die Fastnacht aufblühen und aufleben wird, wenn Corona irgendwann vorbei ist?

Es wird nicht vorbei sein, auch nicht in drei oder vier Jahren. Corona wird bleiben, wir müssen damit leben. Die Fastnacht wird weiter bestehen, aber sie könnte sich verändern. Negativ, wenn die Vereine schrumpfen, oder positiv, wenn die Leute sagen, wir haben lange genug zu Hause gehockt. Dann könnte die Fastnacht gestärkt aus der Lage hervorgehen.

Bis vor wenigen Tagen war es ja so, dass die jungen Leute an der Saalfastnacht gar nicht hätten teilnehmen können.

Das war für die Vereine ein großes Problem. Was ist mit den Kindergruppen? Man hätte sagen können, die Besucher müssen sich eine Maske aufsetzen für eine Bühnennummer.

Ab heute gilt für drei Wochen, dass Kinder an Saalveranstaltungen teilnehmen können, wenn sie beispielsweise in der Schule negativ getestet wurden. Insofern ist es jetzt leichter. Trotzdem, schon zuvor haben die ersten Vereine ihre Saalfastnacht abgesagt.

Ja. Der Vereinsring Heddernheim hat ja auch den Weihnachtsmarkt abgesagt, weil der Aufwand immens ist. Es müssten so viele Auflagen beachtet werden, dass jeder Verein drauflegt. Und bei einer Veranstaltung mit Sicherheit draufzulegen, wenn man nicht weiß, wann die nächsten Einnahmen kommen – das macht niemand gerne.

Wir sind hier im Fastnachtsmuseum. Wie lange gibt es denn die Fastnacht in Heddernheim?

Seit 1839. Die Zuggemeinschaft wurde 1951 gegründet, doch den Zug gab es vorher schon. Es sind fünf Vereine, die sich in der Zuggemeinschaft zusammengeschlossen haben.

Und zu welchem Verein gehören Sie?

Zu den Käwwern, zur Kolpingfamilie und zum Club Fidele Nassauer.

Wie wird man ein Zugmarschall?

Mein Vorgänger hat dies über 30 Jahre gemacht. Es war für ihn sehr schwierig jemanden zu finden, der sich die Aufgabe zutraut und in seine Fußstapfen zu treten wollte. Ich war ja schon im Vorstand der Zuggesellschaft, als ich gefragt wurde, ob ich es mir vorstellen könnte. Ich musste mit der Familie sprechen und habe lange über meine Antwort nachgedacht. Dann haben wir die Vorbereitung zwei Jahre lang zusammen gemacht, seit drei Jahren bin ich nun der Vorsitzende.

Was genau sind Ihre Aufgaben?

Der Vorsitzende ist für den 11.11. verantwortlich, für den Ehrenabend und für den Klaa Pariser Fastnachtszug. Es gibt eine Abteilung Wagenbau, auf deren Arbeit ich mich verlassen kann. Es gibt einen Gestaltungs- und Finanzausschuss. Ich kann gar nicht alles selber machen, dafür sind wir ja ein Team. Aber alles, was mit Behörden zu tun hat, muss ich machen. Wir haben Besprechungen mit dem Ordnungsamt, den Rettungsorganisationen, der Feuerwehr, der FES, dem Gesundheitsamt und den Vereinen. Auch die Planung des Zugwegs und die Sicherheitsmaßnahmen zählen zu meinen Aufgaben.

Sie können ja auf Erfahrungen der Vorjahre zurückgreifen, erstellen nicht jedes Jahr einen neuen Zugweg.

Ja, aber die Polizei sagt dann auch, an welchen Stellen sie mehr Absperrungen brauchen, wo Schwerpunkte liegen und welche zusätzlichen Maßnahmen notwendig sind. Aber auch Dinge wie die Toilettenhäuschen, oder die Betonsperren – all das muss bestellt werden.

Und Sie sagen, bis Mitte Dezember müssen sie sich entscheiden.

Ja. Wir brauchen ja Figuren. Die Gestaltung können wir uns vorher überlegen. Bei sechs Figuren, die wir benötigen, muss unser Künstler etwas Zeit haben. Der grundsätzliche Plan, wo die Gitter stehen, wo die Angebote eingeholt werden etc. das läuft seit Sommer schon. Aber Mitte Dezember muss der Künstler loslegen.

Also ist noch alles ungewiss?

Fest steht, wir sind optimistisch und wir werden die Fastnacht am 11.11. begrüßen. Dies haben wir 2020 nur digital gemacht, diesmal wird es wieder einen Umzug geben. Um 18.30 Uhr startet der Zug am Fastnachterbrunnen an der U-Bahn, ein kurzer Zug geht durch Heddernheim zur Gemaa Bump (Gemeindepumpe) in Alt-Heddernheim. Dort findet es die Eröffnung durch den Statthalter Thomas Dresch, um 19.11 Uhr statt. Im Anschluss wird im Saal der Fidelen Nassauer noch ein wenig gefeiert.

Gibt’s da was zu trinken? Wie wichtig ist der Alkohol für die Fastnacht? Man hatte in den Vorjahren ja manchmal den Eindruck, es geht nur um den Promillepegel.

Das sind Ausreißer unter den Zuschauern, oft junge Leute. Ernsthaft, für die Fastnacht ist Alkohol ein Wirtschaftsfaktor. Wir, der Vorstand, die Ordner, die Fahrer, die Verantwortlichen, sind bis zum Ende des Zuges völlig nüchtern. Kein Tropfen.

Es ist ja richtige Arbeit für viele Leute, darunter die Ordner.

Wir setzen 180 Ordner ein, die wir von einer Firma bestellen werden. Wenn der OB am Dienstag die Fastnacht anschießt, läuft der Zug und wir können nichts mehr machen. Die ganze Vorbereitung muss vorher erfolgt sein.

Was kostet denn so ein Fastnachtszug?

Das ist ein oberer fünfstelliger Betrag.

Wie finanzieren Sie das?

Zugplaketten, Sammlungen, Spenden, ein großer Betrag von der Stadt Frankfurt. Rund die Hälfte kommt von der Stadt. Dafür sind wir sehr dankbar.

Sie sind ein Vereinsmensch. Welche Rolle spielen Vereine heute noch?

Ich hoffe, dass die Pandemie da mithilft. Die Vereine bringen ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das in der Pandemiezeit gar nicht schlecht ist. Gerade die jungen Leute können sehen, dass man sich einbringen kann und viel zurückbekommt.

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