Der Römerfund im Plumpsklosett

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Grabungen auf ehemaligen Ami-Areal haben begonnen

Rundbäuchig, formschön, etwa 40 Zentimeter hoch, fast unversehrt und einem Fassungsvermögen von knapp 20 Litern: Was da Grabungsleiter Rolf Skrypzak in etwa zwei Metern Tiefe aus dem Tonboden gräbt und zieht, ist der bislang größte und am besten erhaltene Fund auf dem Gelände an der Straße In der Römerstadt 126 – 134. Und das vor den Augen von Planungsdezernent Mike Josef (SPD), seiner Kulturkollegin Ina Hartwig (SPD), Denkmalamts-Leiterin Andrea Hampel und Ortsbeiräten. Und dem zukünftigen Bauherrn auf dem Areal, Frank Junker, Chef der ABG Frankfurt Holding, die dort in gut einem Jahr mit dem Bau von 190 Wohnungen und einer Kita beginnen will.

Doch zuvor hatte die Stadt gestern zu einer ersten offiziellen Begehung der Grabungsbaustelle geladen, unter der das letzte noch nicht angetastete oder überbaute Gelände der römischen Stadt Nida (75 bis 260 n. Chr.) liegt. Dass das Gefäß aus einer von fünf in Reihe liegender Fäkalanlagen – sprich Plumpsklosetts – gezogen wurde, tat der Begeisterung keinen Abbruch. „Das ist schon ein beeindruckender Fund“, sagt Archäologin Hampel. Wenn auch keine Sensation. „Solche Gefäße wurden in Massenproduktion hergestellt“, so Carsten Wenzel, Kustos am Archäologischen Museum und Nida-Experte. Warum der Krug ausgerechnet in die Toilette geworfen wurde, bleibt aber wohl das Geheimnis seines letzten Benutzers. „In solchen Orten finden wir aber häufig unversehrte Stücke“, so Grabungsleiter Skrypzak. „Die fallen halt weich.“

300 Stücke gefunden

Etwa 9000 Quadratmeter ist das Gelände groß, auf dem bis vor wenigen Wochen noch die Baracken des amerikanischen Militärs, Bäume und Sträucher standen. Sie wurden gerodet, die Gebäude abgerissen. Für viele Nachbarn ein völlig ungewohnter Anblick. Ein Teil des Areals wurde schon in den 90er Jahren untersucht; Keller, ein Brunnen und ein Töpferofen gefunden. Er befindet sich heute unter einem Schutzbau, der der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Jetzt folgen die letzten 3000 Quadratmeter. „Wir haben vom Bauherrn ein Jahr lang Zeit zu graben“, sagt Hampel. Zunächst weiter gen Norden entlang der Weststraße des römischen Nida, dann in der Ecke, wo die Baracken standen. Rund 300 Stücke – die meisten Scherben aber auch ein als Zelt-Hering verwendeter Eisennagel – wurden gefunden. Und Teile der steingefassten Straße. Wirklich sensationell sind aber zwei kleine Scherben – rotschimmernd, weil schon gewaschen, mit Teilen eines Schriftzuges. Nach dem ersten Brand nachträglich mit weißen Tupfen aufgetragen, die sich wie Blindenschrift vom Untergrund abheben. „Solch ein Spruchbecher ist einzigartig“, sagt Wenzel. Über den vollständigen Text, von dem nur vier Buchstaben übrig sind, kann man nur spekulieren. „Häufig waren das Trinksprüche oder ähnliches“, sagt Hampel. Anders als der große Vorratsbehälter wurde der feine, dünnwandige Becher sicher nicht in Nida produziert. Eine andere Scherbe gibt dafür den Töpfer oder seine Manufaktur preis: Marcellus ist da klar zu lesen. Spiegelverkehrt.

Gleichwohl sind die Experten von dem, was sie bislang gefunden haben, nicht überrascht. Auch in der Menge. Bislang füllt sie vier flache Plastikkisten. Und es gibt – bisher – keine bedeutenden Stein- oder Fundamentnachweise. Auf die hatte wohl der zuständige Ortsbeirat 8 gehofft, der sich seit 30 Jahren für eine Art Römerpark an dieser Stelle einsetzt. Beim jüngsten Anlauf konnten die Ortspolitiker aber der Stadt und der ABG das Verspechen abringen, Teile Nidas dort sichtbar zu machen. „Was hier gefunden wird, soll auch präsentiert werden“, so Josef. Wie genau und in welchem Umfang ist allerdings noch völlig offen. „Ein didaktisches Konzept wird gerade durch das Archäologische Museum erarbeitet“, heißt es dazu in einer Pressemitteilung. Als nächstes wollen sich alle Beteiligten zu einem runden Tisch zusammenfinden. „Noch gibt es keinen Termin. Wir hoffen auf Dezember“, sagt Ortsvorsteherin Katja Klenner (CDU). Bis Herbst 2022 wird auf dem etwa einen Hektar großen Areal noch gegraben. Die nächste Begehung ist für Januar vorgesehen. Und vielleicht zieht dann Grabungsleiter Skrypzak das nächste rundbäuchige Gefäß aus dem Boden.

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