Corona und Gastronomie in Frankfurt: „Die Gäste bleiben weg“

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Thomas Metzmacher mit Mütze. © privat
Thomas Metzmacher mit Mütze. © privat

„Zum Lahmen Esel“-Wirt Metzmacher über Corona-Kontrollen in Frankfurt und Storno-Inzidenzen. Sein Vorschlag würde nur kurz weh tun und dann lang helfen.

Herr Metzmacher, Sie waren verstimmt über unsere Umfrage zu Corona-Kontrollen. Warum?

Es gibt immer schwarze Schafe, auch bei den Gastronomen. Aber man muss differenzieren. Die Mehrheit gibt sich wirklich Mühe. Wir kennen uns ja im Kollegenkreis, wir tauschen uns aus. Es gibt auch welche, die einfach durchwinken. Kaum sieht man das gelbe Heftchen, ja, ist in Ordnung. Ich erlebe es anders.

Wie erleben Sie es?

In meinen Betrieben haben wir es am Anfang so gemacht: Wir können keinen Stau am Eingang gebrauchen, also haben wir gefragt: Impfausweis dabei? Dann nehmen Sie Platz, wir kontrollieren es gleich. Die Bedienung ist dann hin, um die Getränkebestellung aufzunehmen, so, jetzt hätte ich gern von jedem noch den Ausweis. Inzwischen geht das nicht mehr, jetzt müssen wir direkt am Eingang kontrollieren. Die Dame in Darmstadt, die Sie zitieren …

Als es hieß, der Gastronom dürfe gar keinen Personalausweis kontrollieren.

Das war uns lange Zeit tatsächlich verboten. Dann hieß es irgendwann: Wenn Sie Zweifel haben, dürfen Sie doch den Ausweis verlangen. Und jetzt sagt die Verordnung, wir dürfen.

Müssen sogar.

Wir müssen sogar, richtig. Wenn man wie im Gastgewerbe mit vielen Minijobbern arbeitet, sickert es halt manchmal nicht sofort durch, wie es gehandhabt werden muss bei den ständig neuen Verordnungen. Bei uns schon. Wir haben eindeutige Richtlinien, und jeder unserer Mitarbeiter ist verpflichtet, den Aushang vor dem Arbeitsantritt zu lesen.

In Ihrem Kollegenkreis gab es auch Aufregung wegen unserer Umfrage?

Da wurde zu viel durcheinandergeworfen, hieß es. Nicht repräsentativ. Da kamen Stimmen auf, dass das kein Artikel ist, der der Gastronomie zuträglich ist. Wohl wissend, dass es auch schwarze Schafe gibt.

Was sollen wir machen? Gemessen an den Zuschriften zu unserer Umfrage erleben die Leserinnen und Leser überwiegend Situationen, in denen nicht konsequent kontrolliert wird. Liegt das daran, dass die Gastronomie jetzt jeden Gast braucht und niemanden durch strikte Kontrolle abschrecken will?

Man freut sich natürlich über jeden Gast. Aber es gibt eben die, die sich bemühen, die in den Verbänden sind, in der Dehoga, in der IGF, die sich untereinander austauschen. Da sind wir dran, möglichst alle in die Gruppen zu holen, in die Verbandsmitarbeit, damit solche Dinge, wie sie die Leser beschreiben, eben nicht passieren, denn das fällt auf uns alle zurück.

Wie groß ist der wirtschaftliche Druck auf die Gastronomie?

Bis Ende Oktober war er nicht groß, denn da galten durchaus vernünftige Maßnahmen. Aber jetzt seit November, als die Infektionszahlen angefangen haben, so sehr zu steigen: Die Gäste bleiben weg, unabhängig von den Verordnungen. Wir hätten jetzt die Möglichkeit, zum Beispiel Weihnachtsfeiern bis 100 Personen unter gewissen Regelungen zu machen, aber die Leute werden jetzt nicht mehr kommen. Das heißt es von den Vorständen der großen Firmen: Wir wollen jetzt keine Weihnachtsfeier, das Infektionsrisiko ist uns zu groß. Ich habe allein im „Lahmen Esel“ jetzt 2086 Personen, die Reservierungen abgesagt haben für die Zeit bis Weihnachten. Ich nenne das den „StI-Wert“. Das ist die Storno-Inzidenzzahl. Meine Storno-Inzidenzzahl liegt bei 2086.

Anderen geht es sicher ähnlich.

Ich kenne Kollegen, denen die Tränen in den Augen stehen, weil sie ihr letztes Geld ausgegeben haben, um die Vorräte für die Weihnachtszeit einzukaufen, als die Bücher voll mit Reservierungen waren. Der Markt für Gänse und Co. war leergefegt! Wer sich nicht rechtzeitig eingedeckt hatte, dem drohte der Super-Gau: Lokal voll, aber keine Ware.

Es kam anders. Wie lang halten Sie das durch?

Das ist auch eine Frage von wirtschaftlicher Unterstützung. Ich selbst kann nicht meckern, weil die November- und Dezemberhilfe im vorigen Jahr sehr gut war und auch das Kurzarbeitergeld letzten Endes nach einigem Haken funktioniert hat. Es kommt aber auch darauf an, ob ich es richtig mache. Wer alle Mitarbeiter anmeldet und korrekt bezahlt, bekommt auch richtig Kurzarbeitergeld. Aber wir wissen, es wird immer noch gemauschelt in der Branche, und wenn jemand seine Mitarbeiter schwarz bezahlt, kriegt er auch kein Kurzarbeitergeld. Der ist jetzt wirtschaftlich am Ende. Mein Bedauern hält sich da in Grenzen.

Was wünschen Sie sich jetzt?

Zum einen, dass die Ordnungsbehörden effizienter arbeiten. Es kann nicht sein, dass in ein Geschäft mit knapp 70 Sitzplätzen am Abend zehn Mann in Uniform reinlaufen, um zu kontrollieren.

Das ist wirklich passiert?

In einem Lokal auf der Eckenheimer Landstraße. Mein Gott, da sitzen keine Schwerverbrecher drin. Da läuft keiner aus dem Laden oder schießt um sich. Wenn ich zehn Leute zur Verfügung habe, sage ich doch: Ihr zwei lauft da hin, ihr zwei geht dort hin – macht möglichst viele Betriebe. Aber doch nicht zu zehnt in einen Betrieb, was für ein Wahnsinn. Wir schicken uns Bilder und Videos von dieser Kontrolle, weil wir es kaum glauben konnten. Der Wirt hatte nichts zu befürchten, es war alles in Ordnung.

Wie zufrieden sind Sie mit den Corona-Verordnungen?

Wir hatten zu kämpfen mit der Regel: fünf Quadratmeter pro Gast. Da mussten wir einen Anwalt bemühen – und kurz vor dem Richterspruch hat das Ministerium zurückgezogen. Das war völlig sinnfrei, und davon gibt es viele Verordnungen.

Könnte die Politik das entzerren, indem sie längerfristig plant?

Ja. Am Anfang der Corona-Pandemie habe ich noch gesagt: Leute, in so einer Situation sieht kein Gesundheitsminister gut aus. Aber mittlerweile muss ich sagen: nee. Wenn da Ende Oktober die Zahlen so exponentiell steigen, wenn am 9. November der Chef vom RKI warnt, die Kontakte müssen drastisch runtergefahren werden, und zwar sofort – da treffen sich die Ministerpräsidenten zwei Wochen später, und wie hat der Herr Kretschmann aus Baden-Württemberg gesagt: Es war eher so ein Kamingespräch, und am Donnerstag wollen wir mal was verordnen. Ja. Leute. So geht’s nicht.

Wie geht es besser?

Da muss man sagen: Wir haben wissenschaftliche Erkenntnisse, es tut uns leid, wir müssen hier mal 14 Tage zumachen. Aber die haben, auf Deutsch gesagt, keinen Arsch in der Hose. Ja, dann lasst doch die Lobbyisten schreien, dann lasst doch die Gastronomen schreien. Wenn 14 Tage zu ist, das tut uns allen weh. Aber das ist doch besser, als wenn Menschen gefährdet werden. Was wir jetzt haben, 2G, 2G+, mit Maske, ohne Maske, rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln, das nutzt überhaupt nichts. In anderen Ländern geht’s, nur wir können das nicht. Wir machen immer nur ein bisschen, und dann: Oh, tut uns leid, hat alles nichts gebracht, jetzt müssen wir doch ganz zumachen. Das hatten wir doch schon drei Mal.

Interview: Thomas Stillbauer

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