Die Heddemer Käwwern organisierten 1949 einen närrischen Rekruten-Marsch durch die Stadt und am Fastnachtssonntag zog der erste Umzug nach dem Krieg durch Klaa Paris
Die Bundesrepublik wird gegründet, das Grundgesetz verkündet – das Jahr 1949 war ein Jahr des Aufbruchs. Frankfurt lag in großen Teilen noch in Trümmern, es herrschten Wohnungsnot und Hunger. Flüchtlinge und Vertriebene strömten aus den Ostgebieten herein, auf der Suche nach einer neuen Heimat. Der Alltag war trist und kräftezehrend. Da kamen am Fastnachtssamstag, 26. Februar, die Heddemer Käwwern und ließen eine Jahrzehnte alte Tradition wieder aufleben. Zum 110. Geburtstag der Klaa Pariser Fastnacht zog der Rekruten-Marsch vom Hauptbahnhof über Hauptwache und Eschersheimer Landstraße nach Heddernheim. Mit Fahrzeugen aller Art und Laufgruppen und dem Elferrat. An Straßen und Plätzen vor den Trümmern standen Tausende Frankfurter:innen, um ihnen begeistert zuzujubeln. Mit dabei auch die Gemaa Bump, das Symbol der Klaa Pariser Fastnacht.
1839 ist das Geburtsjahr des Klaa Pariser Fastnachtumzuges: Aus Freude über die erste moderne Gemeindepumpe als Ersatz für den alten Ziehbrunnen zogen Handwerksburschen eine Nachbildung der Gemaa Bump durch die Straßen. Noch heute gehört dieses Wahrzeichen zu jedem Fastnachtsumzug. Bereits 1890, also 20 Jahre vor der Eingemeindung, waren die Heddemer Käwwern zum ersten Mal vom Hauptbahnhof aus durch die Stadt Frankfurt gezogen. „Mit den Jahren entwickelte sich die sogenannte Rekruteneinholung am Fastnacht-Sonntag immer mehr. (…) Das war für die Stadtkinder ein noch nie Dagewesenes. Viele rannten sogar bis zum Diakonissenhaus der Dampfeisenbahn alias ‚Knochenmühle‘ nach“, berichtet Chronist Jean Müller. Und weiter: „Hier passierte uns einmal ein Späßchen, das man mit gutem Gewissen als ein Vorläufer zur Köpenickiade anführen darf. Als wir nämlich mit klingendem Spiel, der Präsident Jean Müller hoch zu Ross – an die Hauptwache kamen, rief dieser mit Stentorstimme ‚Augään rächts!‘, worauf der nichtsahnende Posten aus Leibeskräften ‚Herrraus!‘ rief. Die ganze Wache trat ins Gewehr, die Trommel wirbelten und – der tapfere Reitersmann und Heerführer schlitzte aus.“ Ein armer, einen Leutnant darstellender Käwwer sei, weil er Offiziers-Achselklappen am Fastnachtshabit hatte, als Sündenbock notiert worden. Die Hauptwache war damals noch Staatseigentum und mit Soldaten belegt.
Am Ortseingang wurden die Rekruten vom närrischen Magistrat huldvoll empfangen, dann ging es mit großer Kapelle durch Heddernheim. „Anschließend wurden die Rekruten vereidigt“, sagte Käwwern-Ehrenvorsitzender Dietmar Pontow, der einst selbst Rekrut war. Als der Frankfurter Zug ins Leben gerufen wurde, fiel der historische Rekrutenmarsch aus. Stattdessen wurde der Narren-Nachwuchs nun am Eschersheimer Bahnhof abgeholt. Bis in die 1980er Jahre habe es den Zug gegeben, so Pontow.
An diesem Samstag im Jahr 1949 hatten sich die Käwwern übrigens etwas Besonderes einfallen lassen: Sie tauften die Klaa Pariser Straßen um. Da gab es plötzlich einen „Brodweh“ und eine „Treppeschißer Gass“, eine Hammerkopp-Allee und die Straße „Am Ölfleck“. Regierungsbeamte aus Wiesbaden besichtigten den Streich, ernsthafte Folgen hatte er nicht. Die Überklebungen sollten entfernt werden – was nach und nach geschah.
Am Sonntag rollte dann auch der erste Fastnachtszug nach dem Zweiten Weltkrieg durch Klaa Paris – unter der Herrschaft eines Prinzenpaares. Seit 1957 führt ein Statthalter die Staatsgeschäfte der Närrischen Freien Reichsstadt Klaa Paris. Denn der Große Rat der Frankfurter Karnevalvereine hatte sich gegründet – und kürte auch ein Prinzenpaar. „Zwei waren eines zu viel“, sagt Pontow. Und so besannen sich die Klaa Pariser auf die römische Vorgeschichte Heddernheims.