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Hier ist auch das letzte Stück Nidas begraben

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Majer Szanckower verwaltet die zwölf jüdischen Friedhöfe in Frankfurt. Auch den in Heddernheim. © hamerski
Majer Szanckower verwaltet die zwölf jüdischen Friedhöfe in Frankfurt. Auch den in Heddernheim. © hamerski

Jüdische Friedhof in Heddernheim steht auf römischer Gemarkung – Schon vor 130 Jahre vor Archäologen geschützt

Das schlichte Türchen mit den Metallstreben öffnet sich nur selten. Denn auf dem dahinterliegenden Gelände finden schon lange keine Beerdigungen mehr statt. Trotzdem bleibt der jüdische Friedhof Heddernheim in der Römerstadt bestehen. Denn anders als bei christlichen oder säkularen Friedhöfen, wo die Liegezeit gewöhnlich nach 20 Jahren endet, werden Bestattungsorte nach jüdischem Recht für die Ewigkeit angelegt. „Die Gräber bleiben, bis der Messias kommt“, sagt Majer Szanckower, der die zwölf jüdischen Friedhöfe in Frankfurt verwaltet.

Welche Spuren es noch gibt

Kürzlich war das Areal in der Römerstadt auch Thema im Ortsbeirat 8 (Heddernheim, Niederursel, Nordweststadt). Dabei bat das Gremium den Magistrat unter anderem um Auskunft darüber, wer sich um das Gelände kümmert und welche Siedlungsspuren der römischen Stadt Nida man dort vermutet.

Der jüdische Friedhof in Heddernheim hat eine lange Geschichte. Ursprünglich befand er sich in der Nähe der Synagoge in der Langgasse, die heute Alt-Heddernheim heißt. Das geht aus der Publikation „Die vergessenen Nachbarn. Juden in Frankfurter Vororten“ hervor, die das Jüdische Museum 1990 veröffentlicht hat. Seit 1376 sei dieser Friedhof benutzt worden, heißt es darin. Auch Juden aus Eschborn, Eschersheim, Bonames und Harheim seien hier bestattet worden.

„In der Judenordnung von 1771 wollte die Obrigkeit die Begräbnisstätte jedoch nach außerhalb des Ortes verlegt wissen“, schreiben die Autoren. Auf eigene Kosten sollten die Juden einen neuen Friedhof anlegen. Dagegen wehrte sich die jüdische Gemeinde jahrelang. Obwohl das Areal bereits 1802 voll belegt war, wurden dort noch bis 1827 Bestattungen durchgeführt, „wahrscheinlich in aufgeschüttetem Erdreich“, heißt es in der Veröffentlichung. Danach wich man auf die Friedhöfe in Rödelheim und Niederursel aus.

Gebeine umgebettet

Die Suche nach einem passenden Gelände für einen neuen Friedhof gestaltete sich schwierig. Schließlich gelang es der Israelitischen Kultusgemeinde, ein 1753 Quadratmeter großes Areal an der Straße nach Praunheim zu kaufen, auf dem es ab 1840 Bestattungen gab. Den alten Friedhof im Ortszentrum musste sie drei Jahre später verkaufen, er wurde noch in demselben Jahr bebaut. Nach jüdischem Recht eigentlich ein Unding. Dennoch sei das kein Einzelfall gewesen, so die Broschüre. Ende des 19. Jahrhunderts sei das beispielsweise auch in Offenbach geschehen. Vor der Bebauung des Areals im Ortszentrum wurden die Gebeine auf den neuen Friedhof überführt und dort in einem Gemeinschaftsgrab beigesetzt. Entlang der Mauer wurden Grabsteine des alten Friedhofs aufgestellt.

Zustimmung verweigert

Ab 1891 wurde in Heddernheim mit Grabungen nach Zeugnissen aus der Römerzeit begonnen. Schließlich befand sich dort einst die römische Stadt Nida (75 bis 280 n.Chr.), geschäftiger Mittelpunkt des Verwaltungsbezirks Civitas Taunensium. Auch unter dem jüdischen Friedhof vermutete man damals Fundamente wichtiger Bauten. Diesmal aber gelang es der Israelitischen Kultusgemeinde, die Gräber zu schützen: Sie verweigerte die Zustimmung zu Grabungsarbeiten.

Bis 1937 fanden Beisetzungen auf dem Gelände statt. Auf Anordnung der nationalsozialistischen Machthaber hätten die Heddernheimer Juden danach ihre Toten auf dem jüdischen Friedhof an der Eckenheimer Landstraße bestattet, informiert eine Tafel am Friedhofstor, die 2015 auf Initiative des Ortsbeirats 8 (Heddernheim, Niederursel, Nordweststadt) dort angebracht wurde.

„Mit den sogenannten Judenverträgen musste die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland 1942 das Grundstück des Jüdischen Friedhofs in Heddernheim an die Stadt Frankfurt zwangsverkaufen“, heißt es dort weiter. 2629 Mark zahlte die Stadt damals für das Areal.

Zwar blieb der Friedhof vermutlich unangetastet, allerdings entstanden bei Bombenangriffen während des Zweiten Weltkriegs etliche Schäden an Mauern, Gräbern und Grabsteinen. Nach dem Krieg kümmerte sich zunächst niemand um das Gelände, das nach Angaben der Museums-Broschüre jahrelang einen „verwahrlosten Anblick“ bot. Erst in den 1960er-Jahren sorgte das Land Hessen dafür, dass Grabsteine wieder aufgerichtet wurden. Auch die Mauer wurde ausgebessert. Vor Grabschändungen blieb er trotzdem nicht verschont. 1973 warfen Unbekannte vier Grabsteine um, 1985 registrierte man einen ähnlichen Vorfall.

Heute gilt der Jüdische Friedhof Heddernheim als Kulturdenkmal im Sinne des hessischen Denkmalschutzgesetzes.

Westthermen und Praetorium

Sowohl unter dem jüdischen Friedhof in der Römerstadt als auch unter dem christlichen Friedhof, der auf der anderen Straßenseite liegt, vermuten Archäologen Überreste der römischen Stadt Nida.

Vor der Gründung der beiden Anlagen seien dort jedoch keine planmäßigen Ausgrabungen durchgeführt worden, sagt der Leiter des Archäologischen Museums Frankfurt, Wolfgang David.

Im christlichen Friedhof habe es in den 1920er-Jahren Bergungen beziehungsweise Grabungen gegeben, die aber schlecht dokumentiert seien. Der jüdische Friedhof liege direkt außerhalb des Kastells, auf dem Areal des „Vicus“, also der großen Siedlung. „Hier wären Spuren der Zivilsiedlung zu vermuten“, sagt David.

Ebenso unter dem christlichen Friedhof. Letzterer liege in der Nähe der West-Thermen sowie des „Mansio“ – ein Rastplatz oder eine Herberge – und des „Praetoriums“, dem Amtssitz des Statthalters.

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