Die Geschichte Nidas, neu erzählt

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Die Infotafel vor dem Neubau der Römerstadtschule, die hier Schülerin Merle inspiziert, geht noch davon aus, dass sich auf dem Gelände der Marktplatz der Stadt Nida befand. Jetzt weiß man: Hier war ein Weihebezirk. Die Tafel muss getauscht werden. © unger
Die Infotafel vor dem Neubau der Römerstadtschule, die hier Schülerin Merle inspiziert, geht noch davon aus, dass sich auf dem Gelände der Marktplatz der Stadt Nida befand. Jetzt weiß man: Hier war ein Weihebezirk. Die Tafel muss getauscht werden. © unger

Archäologisches Museum wünscht sich Außenstelle – Rundgang wird überarbeitet

Vieles ist verloren, nichts vergessen. Zumindest bei der Archäologen, die sich den Funden und dem Leben in der römischen Stadt Nida verschrieben haben.

Dafür, dass die hier gesammelten Funde einer der bedeutendsten Siedlungen ihrer Zeit (75-260 n. Chr.) auch für Laien an Ort und Stelle verständlich erklärt werden, sorgt der in den vergangenen Jahren etwas in Vergessenheit geratene Rundweg. Zwölf gut zwei mal zwei Meter große Infotafeln erzählen von Thermen und Theater, unterirdischen Mithras-Heiligtümern und dem Hafen. Jetzt sollen sie nach dem Willen der Stadt und Wolfgang David, dem Leiter des Archäologischen Museums Frankfurt (AMF), komplett erneuert werden. „Weil sie schlicht unansehnlich sind oder auch eine inhaltliche Überarbeitung auf Basis der aktuellen Forschungen notwendig ist“, wie es in einer jetzt erfolgten Stellungnahme des Magistrats heißt.

Weihebezirk statt Forum

Hintergrund sind auch die Ausgrabungen auf dem Gelände der neuen Römerstadtschule an der Kreuzung Ernst-Kahn-Straße. Dort, wo noch nach den Sommerferien 320 Mädchen und Jungen einziehen werden, vermutete man jahrzehntelang den dreieckigen Markplatz von Nida. Doch zwischen den Jahren 2016 und 2018 kam Erstaunliches zutage. Befand sich hier doch nicht das Forum, sondern ein Weihebezirk mit mindestens fünf Tempeln. Derzeit werden die mehreren Hundert Kartons mit Funden, für deren Lagerung erst im Herbst 2020 neue Räume im Depot in der Borsigallee saniert wurden, gesichtet. Das wird Jahre dauern.

Deutlich schneller hofft David, den Lehrpfad und die Infotafeln überarbeiten zu können. Nach den Vorstellungen des Direktors wird es nicht nur eine neue Station an der Schule geben, sondern soll in der gesamten Römerstadt nach weiteren Standorten geschaut werden. Auch inhaltlich will er den Bogen weiter spannen, topografische Besonderheiten und den Bau der Ernst-May-Siedlung und der Nordweststadt thematisieren. Graphisch überarbeitet, versteht sich. Auch ein 3D-Relief schwebt ihm vor. „Nida ist mehr als nur eine Stück Heimatgeschichte“, sagt David.

Der existierende Pfad mit zwölf Stationen wurde im November 2000 eröffnet. Die Idee geht auf eine Initiative des Ortsbeirates 8 und einen fast identischen Rundweg zurück, den die Frankfurter Neue Presse nur ein Jahr zuvor anlässlich der 70-Jahr-Feier der Römerstadt ausgeschildert hatte und zu dem sie Führungen anbot. Dass es bis zur tatsächlichen Umsetzung durch die Stadt nur 18 Monate brauchte, gilt heute noch als rekordverdächtig. Kosten: Rund 50 000 Mark für den knapp drei Kilometer langen Lehrpfad.

Schon einige Jahre zuvor wurde auch erstmals über einen Römer-Park, eine Art Freiluft-Museum, auf dem Areal der ehemaligen Ami-Baracken diskutiert (In der Römerstadt 126-134). Dort hat sich aber in den vergangenen 30 Jahren nichts getan. Er gab zwar noch einige erfolgreiche Grabungen, aber ansonsten überwuchern Brombeeren das Areal. Jetzt will die ABG-Frankfurt-Holding dort Wohnhäuser errichten. Zuletzt brachte das „Forum Nida“ aus Heddernheim das Gelände mit einem Modell einer römisch-historisierenden Bebauung erneut ins Gespräch.

Töpfern und hämmern

Und Wolfgang David auf seine Seite. Wegen der Corona-Pandemie mussten in den vergangenen Monaten mehrere vereinbarte Gesprächs- und Ortstermine zwar ausfallen, seine Marschrichtung scheint aber klar: „Wohnbebauung und eine archäologische Außenstelle des Museums, etwa für Workshops und Vorträge, widersprechen sich nicht“, so der promovierte Bronzezeitler.

Gut 30 Quadratmeter würden schon ausreichen, damit dort Jung und Alt museumspädagogisch begleitet „töpfern und hämmern können“. Auch ein Abenteuerspielplatz – einem Kastell nachempfunden – schwebt David hier vor. Und auch die dort freigelegten Reste einer Töpferei sollen erhalten werden. „Aus Sicht des Museums ist ein Erhalt an Ort und Stelle durch eine Einbeziehung in die Neubaupläne wünschenswert und die einzige Option. Denn die Bedeutung der Mauern besteht darin, dass sie Spuren am originalen Ort sind. Ein Abbau und eine Verlegung an einen anderen Ort – vielleicht in einer Grünanlage – kommt nach heutigen Standards nicht in Frage und wäre nicht begründbar, da sie ohne Sinn und der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln wäre“, heißt es in dem Papier des Magistrats, das dieser Zeitung vorliegt.

Parallel dazu erfolgt derzeit die komplette Überarbeitung der Präsentation von Nida im Archäologischen Museum der Stadt Frankfurt. Sie steht im Zusammenhang mit der grundlegenden Erneuerung der Dauerausstellung, die im Sommer startet. Parallel werden dann die berühmten Mithras-Denkmäler aus Nida in Belgien und Frankreich in einer großen Wanderausstellung gezeigt, die 2022/23 in Frankfurt ihren Abschluss finden wird.

Denn vieles ist zwar verloren, aber nichts vergessen.

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